Nachdem ich zu verschiedenen Gelegenheiten bereits Workshops zu Online-Musiktools gegeben habe, scheint es an der Zeit zu sein, einmal darüber zu schreiben. Meine Prämisse im Bereich „Musiksoftware“ für die Schule lautet ja an und für sich seit jeher: Es muss möglichst kostengünstig, idealerweise sogar kostenfrei sein, da die 300,- Euro, die einem Fachbereich pro Jahr zur Verfügung stehen, besser in Instrumenten denn in Software investiert werden sollten.
Damit meine ich übrigens nicht, dass Software nichts kosten soll, gute Software darf auch gerne Geld kosten, keine Frage. Aber an der allgemeinbildenden Schule geht es meiner Meinung nach darum, grundlegende Bedien- und Anwendungskonzepte zu vermitteln – das geht ganz gut auch ohne auf den Rechnern Cubase oder Logic oder Sibelius oder Finale oder Microsoft Office installiert zu haben. Bisher habe ich vor allem nach Freeware und Opensource Software gesucht, die plattformübergreifend in der Schule eingesetzt werden kann – jetzt gibt es zusätzlich noch eine neue Kategorie: Musiksoftware, die online läuft, also im Browser.
Der Vorteil dieser Anwendungen: Sie brauchen keinerlei Installation auf den Rechnern und sie sind tatsächlich weitestgehend plattformübergreifend. Der Nachteil bei fast allen Tools: Sie setzen auf die ein oder andere Weise entweder auf Online-Accounts, die man sich zur Benutzung einrichten muss, oder sie sind nur in abgesteckter Form wirklich kostenlos und verlangen zur Freischaltung des vollen Funtkionsumfangs dann doch noch eine kostenpflichtige Anmeldung. Trotz dieser Einschränkungen ist es sinnvoll, sich die Angebote einmal anzuschauen. Dieser Artikel soll dabei vor allem einen ersten Überblick über mir derzeit bekannte Angebote liefern – Detailtest könnte ich im Laufe der nächsten Monate nachliefern, falls Zeit und Lust dafür da sind ;-) Los geht es:
Soundation – Garageband in the Cloud
Auf Soundation bin ich durch eine E-Mail Kommentar von Daniel aufmerksam geworden. Soundation sieht aus wie Garageband und funktioniert auch so: Aus vorgefertigten Loops können Songs gebastelt werden. In der kostenlosen Version ist die Auswahl auf 600 Loops und Soundscapes beschränkt, verschiedene Preismodelle (Maximalkosten: 79,- Euro im Jahr) erlauben es, die Menge der zur Verfügung stehenden Loops sowie den zur Verfügung stehenden Onlinespeicherplatz zu erweitern. Ausprobieren schadet nicht, die Basisversion der Soundation-Loopbastelei ist schließlich kostenlos.
Noteflight – Onlinenotation
Auch auf Noteflight hat mich Daniel aufmerksam gemacht. Bei Noteflight handelt es sich um ein Onlinetool zum Notenschreiben, praktisch also Finale oder Capella oder Musescore online. Ohne (kostenlose) Anmeldung geht hier nichts – in der kostenlosen Variante kann man Noten eingeben, stößt jedoch recht bald an Einschränkungen die, wie auch bei Soundation, gegen Upgrade des eigenen Accounts auf einen Pro-Account (49$ pro Jahr) ausgehebelt werden können – damit erhält man dann nämlich Zugriff auf die Vollversion der Onlinenotation, Crescendo genannt.
Meiner Meinung nach sind beide Angebote, Soundation und Noteflight in der jeweiligen Pro-Variante zu teuer. Für 80,- Euro bekomme ich z.B. als Alternative zu Soundation die Vollversion von Sequel für Mac und Windows, für 50,- Dollar kann ich mir zum Beispiel Finale Songwriter kaufen und habe ein vollwertiges Notationsprogramm – warum dann auf eine Onlineversion setzen?
Isle of Tune
Eine der kreativsten Ideen im Web 2.0 Universum stellt für mich Isle of Tune (Achtung: Die erste Seite dieser Webseite ist nur eine Art Splashscreen mit Werbung für die iPhone/iPad Apps: Rechts unten auf „Skip“ klicken und schon geht’s weiter) dar. Die Flashanwendung, die es auch für iPad und iPhone gibt, funktioniert wie die sicherlich bekannten Spiele „Sim City“: Statt Audiospuren gibt es Straßen auf denen statt eines Abspielcursors Autos fahren. Akkorde, Töne und Schlagzeugsounds werden am Straßenrand positioniert – symbolisiert durch Blumen, Lampen, Häuser etc. Jedem Item kann ein spezifischer Sound zugeordnet werden, durch mehrere Autos auf voneinander unabhängigen Straßen kann man unterschiedliche Stimmen – zum Beispiel einen Drumloop (Straße verläuft im Kreis) und eine Bassstimme (Straße läuft unabhängig vom Drumloop) – gestalten. Eine Anmeldung ist nicht nötig, gestaltete Songs können online gespeichert und mit der Isle of Tune Community geteilt werden. Dort finden sich auch bereits etliche wirklich gut gemachte fertige Songs.
Myna
Von den Onlinetoolspezialisten bei Aviary komt der Online Audio Editor Myna. Wer schon einmal mit Garageband oder mit dem Magix Music Maker oder anderen loopbasierten Programmen gearbeitet hat, wird sich hier sofort zurecht finden. Myna ist ebenfalls flashbasiert und kann ohne Account solange genutzt werden, bis es ans Abspeichern geht. Hierfür wird ein account benötigt, den man sich entweder bei Aviary direkt kostenlos anlegen kann, oder man loggt sich mit bereits vorhandenen Accounts von Google, Facebook, Twitter, Soundcloud oder Yahoo an.
Roc
Ebenfalls von Aviary stammt der Drumcomputer Roc. Hiermit lassen sich patternbasiert eigene Drumloops erstellen, die dann entweder gespeichert werden (ein Account ist nötig, siehe oben bei Myna) oder direkt in Myna weiter verarbeitet werden können. Von Myna gibt es über den rechts unten befindlichen Button „Beats“ auch eine direkte Verbindung zu Roc. Gerade für HipHop-Projekte bietet sich Roc für den Einsatz im Unterricht an – sehr leicht können eigene Beats produziert werden, die dann als Basis für den eigenen Song dienen können.
Audiotool
Hinter dem recht unauffälligen Namen verbirgt sich die derzeit umfangreichste Online Musiksoftware auf dem Markt. Gerade in Version 2.0, Codename „Hitchhiker“, erschienen wird hier ein virtuelles Musikstudio abgebildet. Etliche Komponenten (Synthesizer, Drumcomputer, Effektgeräte, Mixer, etc.) werden virtuell miteinander verkabelt, so dass eine eigene Musikproduktionsumgebung geschaffen wird. Für den Schuleinsatz in meinen Augen ein bisschen zu komplex (es sei denn es geht um den Einsatz in Neigungskursen wie „Musik und Informatik“ im Differenzierungsbereich der Mittelstufe oder einem Projektkurs in der Oberstufe). Wie bei allen Web 2.0 Tools heißt es auch bei Audiotool: Abspeichern geht nur mit eigenem Account. Dieser ist auch hier kostenlos, die fertigen Songs können unter eine Creative Commons Lizenz der Audiotool Community zur Verfügung gestellt werden. Die Liebe zum Detail und der unglaubliche Umfang von Audiotool flößen mir großen Respekt ein und lassen die Frage aufkommen, wie es sein kann, das so ein umfangreiches Werkzeug kostenlos angeboten wird?
Fazit
Google hat mit GoogleDocs vorgemacht, was es bedeuten kann, wenn Anwendungsprogramme in die Cloud wandern, die hier vorgestellten Beispiele lassen erahnen, was im Bereich der computergestützten Musikproduktion möglich ist und sein wird: Leistungsstarke Software mit Funktionen, die den Desktopversionen kaum nachstehen, rund um die Uhr und von überall her im Internet verfügbar. Gerade für den Musikunterricht, der so oft bestimmt wird vom eben nicht vorhandenen Geld für Softwareanschaffungen eine interessante Möglichkeit, mit dem Computer zu arbeiten. Fraglich bleibt für mich, in wiefern sich solche Tools auf Dauer im „Kostenlosbetrieb“ halten können, schließlich stecken hier eine Menge Arbeit, Serverplatz und Rechenpower dahinter. Die Bezahlmodelle der beiden erstgenannten Tools überzeugen mich derzeit noch nicht – der Preis erscheint mir zu hoch im Vergleich zu den vorhandenen Desktopalternativen. Sollte sich hier in Zukunft ein Bezahlmodell abzeichnen, das die Entwickler finanziell genug unterstützt, die Nutzung der Tools gleichzeitig aber nicht überteuert wirken lässt (und sollten technische Hürden wie latenzfreies Aufnehmen genommen werden), wird es sicherlich nicht mehr lange dauern, bis Softwareinstallation auf lokalen Rechnern im Bereich Musik durchaus der Vergangenheit angehört. Es bleibt spannend!
Ein wirklich sehr interessanter Artikel!
Ich betreue den Blog http://www.generation-bildung.de/hochschule/ipad-projekt-waldschule-hatten/ und diese Woche steht unter dem Motto „Digitales
Klassenzimmer – der Einsatz von neuen Medien im Schulunterricht“
Vor ein paar Wochen habe ich Ihnen über das Kontaktformular Ihres Blogs eine Anfrage für einen Gastartikel geschickt. Bisher haben wir noch keine Rückmeldung erhalten, aber wir würden uns sehr freuen, wenn es doch noch kurzfristig mit einem Gastartikel klappen würde.
Liebe Frau Poppe,
auch auf diesem Weg noch einmal: Vielen Dank für Ihre Anfrage, aber ich habe kein Interesse daran, einen Gastbeitrag für „Generation Bildung“ zu verfassen.
Mit besten Grüßen aus Soest,
S. Dorok
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