Heute morgen habe ich nach einiger Überlegung meine beiden Twitter Accounts @sdorok sowie @freeformac gelöscht. Kurze Zeit später schon erreichte mich eine Mail, deren Verfasser gerne gewusst hätte, was mich zum „digitalen Suizid“ getrieben hat. Abgesehen davon, dass ich fest davon überzeugt bin, dass weder meine reale noch meine digitale Persönlichkeit mit Twitter zusammenhängt und ein „Suizid“ deshalb vielleicht die falsche Wortwahl ist, so will ich doch kurz meine Gedanken zu Twitter zusammenfassen:


Problem Reizüberflutung

Obwohl ich „nur“ knapp 150 Menschen hatte, die mir folgten und ich wiederum „nur“ knapp 100 Menschen selbst gefolgt bin, ist Twitter ein unfassbarer Datenwust. Selbst wenn jeder der insgesamt 300 Leute in meiner Timeline nur zwei Tweets am Tag sendet, sind das immer noch 600 Einzelinformationen, die man entweder alle würdigt, oder von denen man über 90% einfach ignoriert. Warum aber starte ich einen Nachrichtenservice, von dem ich weiß, dass ich 90% der Informationen übergehen MUSS, um überhaupt Herr der Lage zu sein?

Natürlich sind da hin und wieder ganz interessante Links zu interessanten Artikeln dabei – meist ist es aber die Aufgabe, wann immer man den Twitterclient öffnet, Allgemeine-Befindlichkeits-Tweets und Gute-Information-Tweets auseinander zu dividieren. Ganz ehrlich – dafür ist mir meine Zeit zu schade. Was ich wissen will, lese ich in den Blogs, deren RSS-Feeds ich abonniert habe – und der Rest ist mir eigentlich echt egal.


Diskussion

140 Zeichen reichen einfach nicht aus, sich irgendwie sinnvoll und sinnstiftend zu unterhalten. Zwar bietet der ein oder andere Bildungstweet von den diversenen Lehren, Referendaren, Schulkritikern und -verbesseren, denen ich gefolgt bin, Anlass zur Diskussion. Aber doch nicht in 140 Zeichen. Und auch nicht in schriftlichen Kommentaren auf irgendwelchen Blogs. Echt nicht. Ich habe mehrfach kontrovers zu diskutierende Bildungstweets geschrieben (und weit mehr von mir kontrovers gesehene Tweets erhalten) und jedes Mal gemerkt, dass das Medium einfach nicht zur vernünftigen Auseinandersetzung mit komplexen Sachverhalten taugt.

Wer mit mir über Bildungspolitik und Schulwesen diskutieren will, soll sich mit mir bei einem Bier- oder Weinchen auf meine Terrasse setzen und dort die Nacht mit mir über meine und seine/ihre Ansichten diskutieren. Alles andere ist Blödsinn.


Missbrauch & Fehlende Kontrolle

Am Samstag ist das schreckliche Unglück auf der Loveparade in Duisburg geschehen. Ich hatte dazu getwittert, dass ich schon mittags (als ich die Loveparade im Fernsehen kurz eingeschaltet hatte) der Meinung war, dass dort noch etwas Schlimmes passieren würde, bei nur einem einzigen Zu- und Ausgang. Spät abends wurde ich durch die Nachricht eines Kollegen (übrigens per Mail mit weit mehr als 140 Zeicehn) gewahr, dass ein Nachrichtensprecher bei N24 diesen Tweet offensichtlich im Fernsehen vorgetragen, meinen Namen genannt und den Eindruck erweckt hatte, dass ich ein Augenzeuge in Duisburg gewesen sei.

Obwohl ich immer darauf geachtet habe, Tweets so zu verfassen, dass sie verständlich und nicht persönlich sind, ist hier deutlich geworden, welcher Missbrauchsgefahr man sich mit einem Twitteraccount aussetzt. Wenn ich nach @sdorok google, finde ich etliche Bot-Seiten, die meine Tweets querverwerten, aus dem Zusammenhang reissen und für ihre eigenen (Werbe)Zwecke missbrauchen. Will ich Teil dieser schönen neuen Medien- und Nachrichtenwelt sein? Meine Antwort darauf lautet: Nein.


Zwar hätte ich die Möglichkeit, meinen Account zu sperren und so nur die Leute meine Tweets lesen zu lassen, denen ich vertraue. Dann kann ich aber auch gleich Mails verschicken oder aber meinen – nach aussen weitestgehend dichten – Facebook Account zur Kommunikation nutzen. Ich glaube, mein Twitteraccount ist ziemlich genau ein Jahr alt geworden; es war ein Experiment, das für mich heute beendet worden ist.


Twitter! – Twitter?
Markiert in:             

4 Kommentare zu „Twitter! – Twitter?

  • 29. Juli 2010 um 21:22 Uhr
    Permalink

    Gut, ich dachte schon, ich bin die Einzige, die Twittern „merkwürdig“ findet….

  • 17. August 2010 um 09:10 Uhr
    Permalink

    100% d’accord!

  • 10. Dezember 2010 um 10:42 Uhr
    Permalink

    Die Überlegung, doch wieder bei Twitter einzusteigen, beinhaltete vor allem die Idee, Twitter als „incoming“-Service für schnelle Nachrichten zu nutzen. Selber schreibe ich nur noch sehr wenig in meinen Account und ich versuche auch, so wenig wie möglich darüber zu diskutieren. Finde ich irgendwo interessante Artikel, dann poste ich diese weiter. Seit meinem Rückzug und der Wiederkehr in die Twittersphäre bemerke ich, dass ich das Medium viel bewusster und dadurch viel weniger nutze als zuvor.

    Auch wenn es ein makaberer Zusammenhang war – als das Unglück bei Wetten dass…?! passiert ist, saß ich ziemlich geschockt vorm Fenseher und fühlte mich – berechtigt oder nicht – als Zuschauer auch merkwürdig mitschuldig, gleichzeitig hilflos und verloren. Ein Journalist, der im Studio war, hatte den ganzen Abend über live getwittert und so dafür gesorgt, dass wir wenigstens auf dem Laufenden waren. Für so etwas finde ich Twitter sehr gut geeignet aber auch, um auf Artikel aufmerksam gemacht zu werden, die mir sonst nicht in den RSS-Reader fliegen.

    Ich vermeide aber nach Möglichkeit, persönliche Dinge oder auch Meinungen über Twitter zu veröffentlichen. Dafür scheint mir das Medium nicht gut geeignet.

Kommentare sind geschlossen.